Sprechen wir vom Jagdverhalten unserer Hunde, dann haben wir meist negative Assoziationen im Kopf. Diese sind dann auch oft Grund dafür, warum die meisten oder viele Hunde, ausschließlich an der Leine geführt werden. Im Stadt- bzw. Ortsgebiet auch unbedingt notwendig. Jedoch wäre es auch einfach mal schön, wenn man seinen Hund auch auf einer abgelegenen Wiese oder einem Feldweg in den Freilauf schicken kann. Wäre da nicht die sicherlich berechtigte Angst, dass der eigene Hund zum Jäger mutiert. Schiebe diese Angst einfach mal komplett zur Seite, denn wir machen jetzt ein kurzes Gedankenprojekt:
Stell dir vor, du bist mit deinem Hund im Wald unterwegs. Um euch herum hörst du die Vögel zwitschern und den Wind durch die Blätter rauschen. Weit und breit nichts anderes zu sehen und zu hören. Du entscheidest, deinen Hund in den Freilauf zu schicken. Während du genüsslich weitergehst, blickt dein Hund zwischen den Schnupperphasen, immer wieder zu dir, um seine Aufmerksamkeit zu bekunden. Diesen Blick nimmst du zum Anlass, mit deinem Hund über einen Baumstamm zu balancieren oder du führst ihn in die Welt des Würstelbaums ein. Wäre das nicht schön, wenn du so mit deinem Hund spazieren gehen könntest? Dann lass uns loslegen und daran arbeiten, denn der Weg zum Ziel beginnt immer mit einem Traum.
Warum jagen Hunde?
Bevor du ans Training gehen kannst, solltest du dir unbedingt vorher die Frage stellen, warum Hunde überhaupt jagen. Hierfür gibt es verschiedenste Gründe:
Rassezugehörigkeit sowie Überlebensgrundlage
Die Rassezugehörigkeit spielt eine große Rolle. So wurden bestimmte Hunderassen speziell fürs Jagen gezüchtet, während andere nie eine jagdliche Aufgabe inne hatten. Dennoch kann sich auch ein nicht speziell für die Jagd gezüchteter Hund zum hervorragenden Jäger entwickeln, denn Jagen ist ein urtypisches Verhalten, welches ursprünglich fürs Überleben notwendig war bzw. auch bei manchen Hunden heute noch das Überleben sichert.
Entwicklungsphasen des Hundes
Etwa in der 5. Lebenswoche treten erste Jagdanzeichen auf, welche im Spiel mit den Geschwistern oder beim Erkunden der Umwelt (Insekten, vorbeifliegende Blätter…) geübt werden. Um die 9. Lebenswoche kannst du bereits erstes „richtiges“ Jagdverhalten erkennen. Während das jagdliche Interesse zwischen dem 6. Lebensmonat und dem 3. Lebensjahr ansteigt, befindet sich dein Hund im Alter von etwa 9. bis 18. Lebensmonat (Junghundephase) in der jagdlichen Hochsaison. Ein Grund dafür ist vermutlich auch der erhöhte Stresspegel während dieser sensiblen Entwicklungsphase sowie auch die bisher gemachte Lernerfahrung.
Nachahmung
Auch bei Hunden gibt es verschiedenste Lerntypen. So kann dein Hund auch durch Zusehen eines anderen Hundes gelernt haben, zu jagen. Daher empfiehlt es sich, vor allem in der jagdlichen Hochsaison deines Hundes, beobachtende Erfahrungen zu vermeiden.
Langeweile, Stressverhalten sowie Impulskontrolle des Hundes
Wird ein Hund nicht ausreichend gefordert, dann wird er selbstständig auf Ideen kommen, wie er seiner Langeweile entkommt. Beim Spaziergang könnte dies eben das Jagen von verschiedensten beweglichen Objekten – Katzen, Radfahren, Joggern, Wild uvm. – sein. Langeweile kann aber auch den Stresspegel in den negativen Bereich katapultieren, sodass das Jagdverhalten des Hundes auch eine Stressreaktion sein kann. Dies kann aber auch auf Hunde zutreffen, die durch zu viel oder falsche Beschäftigung überfordert werden, denn auch hier wird sich der Stresspegel über kurz oder lang im negativen Bereich bewegen. Dazu kommt noch, dass bei einem gestressten Hund nur mehr bedingt Impulskontrolle vorhanden ist, denn diese ist nicht unerschöpflich. Das heißt, nicht nur der Stresspegel und die dadurch vorhandenen Stresshormone, sondern auch die fehlende Impulskontrolle führen dazu, dass dein Hund Stressverhalten zeigt. Im Falle von bewegenden Objekten, kann dies eben das Nachjagen dieser sein.
Du siehst, Jagdverhalten kann sich aus verschiedensten Gründen entwickeln, jedoch kannst du durch dieses Wissen nun bereits das (noch nicht vorhandene) jagdliche Interesse deines Hundes beeinflussen. Wie das erfährst du später.
Biologie des Jagdverhaltens von Hunden
Jagen ist eine Kette mehrerer Verhaltensweisen. Daher sprechen wir hier von der Jagdverhaltenskette, die folgende Glieder beinhaltet: ORTEN – FIXIEREN – ANSCHLEICHEN – HETZEN – PACKEN (TÖTEN – FRESSEN). Nicht alle Teile der Jagdverhaltenskette sind bei allen Hunden vorhanden. So kann es sein, dass die einen vom Orten gleich zum Hetzen übergehen, während andere Hunde die Jagdverhaltenskette vollständig abarbeiten. Dies ist von Rasse sowie auch Lernerfahrung des jeweiligen Hundes abhängig. TÖTEN und FRESSEN stehen deshalb in Klammer, weil diese bei unseren „Familienhunden“ nur mehr selten auftreten. Ausnahmen gibt’s natürlich immer.
Weiters wird in Such- sowie Sichtjäger unterschieden. So gibt es Rassen bzw. Hunde, die auf Sichtung und jene, die auf Geruch des Jagdobjektes reagieren oder aber, sowohl auf Sicht als auch auf Geruch. So ist es auch hier von Rasse bzw. vom Hund abhängig, welche Art von Jäger er ist.
Das Gefährliche am Jagen ist, dass es zur Sucht werden kann und hierfür ist nicht einmal Jagderfolg notwendig! Denn AB dem Zeitpunkt, wo dein Hund den Reiz (zB einen Hasen oder eine Katze) wahrgenommen hat, wird Adrenalin ausgeschüttet. Dieses führt zur Leistungssteigerung deines Hundes, um für die bevorstehende Jagd gewappnet zu sein. Weiters kommt es zur Ausschüttung eines Hormoncocktails, der deinen Hund in einen Rauschzustand versetzt. Dafür verantwortlich sind vor allem die Hormone Dopamin und Serotonin. Während Dopamin als sogenanntes Glückshormon für die Antriebskraft und Motivation zuständig ist, wirkt sich das Wohlfühlhormon Serotonin positiv auf die allgemeine Stimmung aus. Dieses Hormon kommt bei jedem selbstbelohnenden Verhalten zum Einsatz. Diese Erfahrung bzw. dieses unglaubliche Rauschgefühl wird im Großhirn gespeichert und möchte auch unbedingt wiederholt werden. Es kommt zur SUCHTGEFAHR!
Unerwünschtes Jagdverhalten beim Hund – unterbinden
Eines vorweg, du kannst deinem Hund weder das Jagdverhalten abtrainieren/abgewöhnen noch kannst du es unterbinden. ABER du kannst das Jagdverhalten umlenken und auch lernen, damit kontrolliert umzugehen, sodass es für deinen Hund keine Notwendigkeit mehr gibt, selbstständig auf die Jagd zu gehen. Hierfür habe ich ein paar Tipps mit denen du das Jagdverhalten deines Hundes in die richtigen Bahnen lenken kannst:
„Antijagdtraining“ ist ein 24-h-Programm, welches von dir enorm viel ZEIT, AUFMERKSAMKEIT, GEDULD, VERTRAUEN und VORAUSSCHAUENDES HANDELN fordert. Ebenso solltest du UNBEDINGT motiviert sein sowie auch Spaß am positiven Training mit deinem Hund haben. Dazu kommt noch, dass jeder Hund anders ist, daher gibt es auch nicht DAS ultimative Programm, welches bei jedem Hund genau so anwendbar ist.
- Lerne UNBEDINGT die Körpersprache deines Hundes kennen. Nur so kannst du noch adäquat eingreifen und die nachfolgenden Jagdsequenzen verhindern.
- Achte darauf, dass die Grundbedürfnisse (Bedürfnispyramide nach Maslow) deines Hundes gestillt werden. Nicht erfüllte Grundbedürfnisse wirken sich negativ auf das Stresskostüm deines Hundes aus.
- Dein Hund sollte unbedingt körperlich UND auch geistig artgerecht ausgelastet werden. Zur geistigen Auslastung eignen sich vor allem bei jagdlich motivierten Hunden alle Beschäftigungsvarianten, bei der die Nase eingesetzt wird. Zusätzlich zur artgerechten Auslastung stillst du damit auch gleich einen Teil des jagdlichen Bedürfnisses deines Hundes.
- Halte den Stresspegel deines Hundes im positiven Bereich und sorge für ausreichend Ruhe- und Entspannungszeiten.
- Beginne das Training UNBEDINGT in ablenkungsfreier Umgebung, damit dein Hund die notwendigen Signale lernen und auch festigen kann.
- Ermögliche fehlerfreies Lernen. Das heißt, gehe im Training schrittweise vor und passe das Lerntempo an deinen Hund an. Er sollte nicht gelangweilt, aber auch nicht überfordert werden.
- Trainingspausen sind wichtig für nachhaltiges Lernen und helfen deinem Hund, wieder Energie und Impulskontrolle zu tanken.
- Zusätzlich macht es Sinn, deinem Hund diese Signale beizubringen: RÜCKRUF, PFIFF, STOPPEN AUF DISTANZ sowie RADIUSTRAINING.
- Eines der meiner Meinung nach wichtigste Signal, welches jeder Hund kennen und können sollte, ist der BLICKKONTAKT. Warum? Weil ein Hund, der selbstständig zu mir Blickkontakt aufnimmt, viel aufmerksamer mir gegenüber und im Gegenzug „unaufmerksamer“ gegenüber seiner Umwelt wird. Ein Hund der mich ab und zu anschaut, tut sich beim Abscannen der Umgebung, um Wild etc. zu finden, schwerer. Zusätzlich sollte dein Hund aber auch auf Signal Blickkontakt anbieten können. Das ermöglicht es dir, ihn in bestimmten Situationen „umzulenken“ und macht ihn so leichter zugänglich für weitere Signale.
- Gestalte den Spaziergang mit deinem Hund interaktiv und bedürfnisorientiert. Damit meine ich, dass du deinen Hund beim Spaziergang beschäftigst und darauf auf seine als auch deine Bedürfnisse achtest. Was macht euch gemeinsam Spaß. Ist dein Hund beispielsweise ein Superschnüffler, dann kannst du viele Schnüffelspiele einbauen. Bei sehr bewegungsfreudigen Hunden empfiehlt es sich, Bewegungs- und Kletterübungen zu machen.
Hilfsmittel für das Anti Jagd Training mit dem Hund
- Brustgeschirr und Schleppleine: Leine NIE eine Schleppleine an ein Halsband an, da im Falle eines Nachjagens enorme Verletzungsgefahr für deinen Hund besteht!
- Clicker oder Markerwort (spezielles Lobwort, auf welches IMMER eine Belohnung folgt)
- viele tolle Futterstücke
- alternative Belohnungsvarianten: Was findet dein Hund (außer Futter) noch ganz toll? Buddeln, Laufen, Dummy tragen uvm.
- Mach dir unbedingt einen Trainingsplan
Was mache ich bei extremen Jagdverhalten beim Hund?
Neigt dein Hund zu besonders extremen Jagdverhalten, dann empfiehlt es sich ganz genau zu überprüfen, ob dein Hund Bedürfnisse hat, die nicht gestillt werden und er so zu Stressverhalten neigt. Nicht immer, aber leider viel zu oft ist Stress der Grund, warum es zu extremen Verhaltensweisen – darunter auch das Jagdverhalten – kommen kann. Aber auch die Gesundheit bzw. Erkrankungen (Schilddrüse, Diabetes etc. oder auch Probleme am Bewegungsapparat) können ein Grund sein. Zusätzlich zu vielleicht notwendigen medizinischen Schritten solltest oben erwähnte Tipps beachten.
Fehlerquellen beim Anti Jagdtraining mit dem Hund
Bist du der Meinung, dass dein Training nicht fruchtet, dann kann es dafür verschiedenste Gründe geben:
- Falsche (Futter)Belohnung: Was als Belohnung empfunden wird, entscheidet einzig der Empfänger
- Bestechung statt Belohnung: Erst, wenn dein Hund das gewünschte Verhalten zeigt, holst du Futter aus deinem Futterbeutel. Hast du bereits vorher Futter in der Hand, lernt der Hund recht schnell, dass das Signal nur in Kombination „Futter in der Hand“ gültig ist
- Falsches oder zu spätes Timing beim Belohnen
- Deine Anforderungen gegenüber deinem Hund sind zu hoch: Das Lerntempo entscheidet ausschließlich dein Hund. Achte darauf, deinen Hund weder zu über- noch zu unterfordern.
- Stressiges Drumherum: An stressigen Tagen fahren wir selbst auch schneller aus der Haut oder sind nicht so aufnahmefähig, wie an anderen Tagen. Das gilt auch für unsere Hunde.
Jagdverhalten Hund und Katze
Beachtest du meine oben erwähnten Tipps, dann macht es keinen Unterschied, ob dein Hund Katzen oder anderen beweglichen Reizen nachjagt. Handelt es sich allerdings um die eigene Katze, die mit deinem Hund im Haushalt lebt, dann sieht das Training hierbei etwas anders aus. Dazu empfehle ich dir meinen Artikel Hund & Katze aneinander gewöhnen.
Fazit !
Halte durch – Lernen erfolgt immer in Kurven, welche vor allem anfangs sehr stark verlaufen können. Aber es zahlt sich aus, dranzubleiben.